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Culture of Failure (Fehlerkultur): Fail Fast, Fail Often

„Im [Innovations-] Prozess braucht man ein Leadership, welches die Vielfalt und das unkonventionelle Denken fördert und auch das Team so zusammenstellt, dass man über komplementäre Fähigkeiten verfügt. […] Es ist ein Leadership, welches Raum für Fehler schafft und konstruktiv mit Fehlern umgeht“, Dr. Antonella Mei-Pochtler, Senior Partnerin und Geschäftsführerin der Boston Consulting Group.


Ich selbst nahm mir nach meinem Ausscheiden als operativ tätiger Vorstand im Dezember letzten Jahres, einige Monate Zeit, um mich weiterzubilden, mich mit neunen und innovativen sowie zukunftsträchtigen Geschäftsmodellen zu beschäftigen und für mich die letzten 20 Jahre zu reflektieren. Ein langer Zeitraum, mit vielen Menschen, die ich getroffen habe, duzenden Erfolgen, die ich gefeiert habe, aber auch vielen Fehlern, die ich gemacht habe.


Unsere europäische Gesellschaft stuft den deutschen Begriff „Fehler“ bzw. im Englischen „Failure“ (Fehler, Versagen, Scheitern) als etwas grundsätzlich negatives ein. Das Wort symbolisiert den „Mangel an Erfolg“ oder das „unternehmerische Scheitern“. Jemand der Fehler macht, wird im europäischen Kulturkreis gesellschaftlich oft als „Versager“ eingestuft. Alles sehr negativ behaftete Begriffe. Wer möchte da bei uns noch Fehler machen? Aber glaubt ihr, dass Bill Gates oder Elon Musk das „Scheitern“ genauso definieren würden? US-Startups betrachten „Failure“ (sorry an alle Germanisten an dieser Stelle, aber der englische Begriff gefällt mir hier besser als der Deutsche, da er nicht den Anschein einer Endgültigkeit erweckt) so, als hätten sie in einem Aspekt einen Fehler gemacht, der Anpassungen und Wiederholungen erfordert, um letztendlich erfolgreich zu sein. Als Europäer gilt es als unverzeihlich Fehler zu machen. Für Amerikaner ist es ein Schulterklopfen, wenn Fehler passieren. Amerikaner neigen einfach dazu, von ihren Fehlern wegzukommen.


Während meines Reflexionsprozesses wurde mir klar, wie sehr mich bereits meine Erziehung und Ausbildung beeinflusst haben, Konformität zu lehren und Risikoaversion zu belohnen. Aber Konformisten sind nicht diejenigen, die zu Revolutionären werden, indem sie nach innovativen Durchbrüchen streben. Die kreativen Köpfe, Querdenker und diejenigen, die die Regeln hinterfragen, sind selten die Lieblinge des Lehrers. Kinder sind von Leistungsorientierung getrieben, mit dem Ziel, Anerkennung von ihren Eltern und Bewunderung von ihren Lehrern zu erlangen.


Später wenden sie ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten auf gewöhnliche Weise an, um ihren Job zu meistern, ohne die Vorgaben in Frage zu stellen und ohne Aufsehen zu erregen. Insofern haben Führungspersönlichkeiten auch im beruflichen Kontext oftmals massive Probleme mit Fehlern umzugehen. Dies bezieht sich im Übrigen nicht nur auf den Umgang mit eigenen Fehler in Richtung der Mitarbeiter:innen, sondern ganz häufig auch gegenüber sich selbst. Die Angst vor dem Scheitern und die damit verbundenen möglichen Konsequenzen sind größer als die Chance des Lernens aus diesen Fehlern und der Überwindung des Tals der Tränen mit dem Ziel binnen kürzester Zeit durch diese Lernkurve effektiver, effizienter und letztendlich erfolgreicher zu werden, als zuvor.


Diese Wahrnehmung des Lernens wird auch eher als ein Prozess betrachtet, der irgendwann abgeschlossen sein kann oder sollte. Dirk Schart, Co-Founder, CMO and president von RE’FLEKT sagt: „In Deutschland scheint Lernen nur bis zu einem bestimmten Alter erlaubt zu sein. Ab einem gewissen Alter oder ab einer bestimmten Führungsposition im Beruf, zum Beispiel als Führungskraft, scheint es verpönt zu sein, sich einzugestehen, etwas nicht zu wissen. Es wird davon ausgegangen, dass man „alles“ weiß. Das ist das genaue Gegenteil der Denkweise amerikanischer Unternehmer, die danach streben, im Laufe ihres Lebens weiter zu lernen. Gerade in der Startup-Welt wäre es hilfreich, offen für Neues zu sein, denn es gibt nicht nur eine Methode oder einen Weg, um erfolgreich zu werden.“ Scheitern gehört zum Unternehmertum dazu.


Anstatt sich auf potenzielle Fehler zu konzentrieren, hält Marc Filerman, Programm-CEO des German Accelerator Life Sciences, es für wichtiger, sich auf Validierung und Risikominderung zu konzentrieren: „Sie müssen Risiken durch Suchen verringern. Suchen ist ein wissenschaftlicher Prozess. Sie müssen Ihr Problem, Ihre Kunden, Ihre Lösung und Ihr Geschäftsmodell validieren.“ Es gibt viele Beispiele dafür, wie erfolgreiche Unternehmer:innen und Führungspersönlichkeiten gescheitert oder fast gescheitert sind, bevor sie erfolgreich wurden. Zu den bemerkenswerten Beispielen gehören Jack Ma, dessen heutiger Riese Alibaba in seinen Anfängen keine Einnahmen erzielen konnte, oder der Geschäftsmagnat Richard Branson, der einst versuchte und scheiterte, mit Softdrink-Giganten zu konkurrieren. Er sagt: „Schäme dich nicht für deine Fehler, lerne daraus und fange von vorne an.“


Bei der Untersuchung von Misserfolgen im Startup-Kontext ist ein wichtiger Aspekt des Lernens aus Misserfolgen der Akt des sinnvollen Teilens mit anderen. Ein unterstützendes Netzwerk zu haben, um die Erkenntnisse auf dem Weg offen zu diskutieren, kann hilfreich und ein wichtiges Ventil für Gründer:innen sein, damit sie die Fallstricke anderer vermeiden können. Tatsächlich werden Studierende am MIT ermutigt, ihre Fehler zu teilen, um sie zu entstigmatisieren und Resilienz für zukünftige Unternehmungen aufzubauen. Es geht jedoch nicht nur um das externe Netzwerk, sondern auch um das Team innerhalb eines Startups. Offene Kommunikation und Analyse von Fehlern ist etwas, das viele als wichtig betonen, insbesondere wenn sie in einem neuen Markt tätig sind. Fehler passieren, aber dann ist es wichtig, sie im Team offen zu kommunizieren. Es empfiehlt sich, Daten zu analysieren und Erkenntnisse zu verarbeiten, indem man nach einem Misserfolg eine Obduktion durchführt, damit daraus eine positive Bildungserfahrung wird.


Für mich persönlich sind „Fehler“ bzw. das „Scheitern“ (engl. Failure) grundsätzlich nichts Negatives. Vielmehr sehe ich in getätigten Fehlern eine Möglichkeit besser zu werden. Klar ist es nicht angenehm, wenn du einen Fehler machst. Deine Ansprüche an dich selbst sind hoch, dein Umfeld erwartet fehlerloses Arbeiten und Verhalten und du weißt auch, dass Fehler temporäre Rückschläge sind. Ich bin der festen Überzeugung, dass das Erfolgsentscheidende nicht der Fehler an sich ist, sondern der Umgang mit Diesem.


Der Manager der alten Schule wird sich Fehler nicht eingestehen können und wird diese noch weniger mit seinem Umfeld teilen wollen/können. Damit verpasst er jedoch die Möglichkeit des Lernens und der Fehler wird für ihn letztendlich fatale Folgen haben. Neben dem realen unternehmerischen Scheitern läuft er zudem Gefahr moderne Denkweisen und Führungstechniken des 21. Jahrhunderts zu verfehlen und so zur Demotivation der Teams und Mitarbeiter:innen in Organisationen beizutragen und damit die aktive Abwanderung von Talenten zu fördern. Der Mitbewerb wird es ihm danken…


In meinem nächsten Beitrag verrate ich euch, mit welchen Methoden und Maßnahmen ihr aus Fehlern lernen könnt und welche Werkzeuge ihr dafür nützen könnt.


 


TOMAS JISKRA tomas@jiskra.at



 

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