In der Theorie klingt es sehr einfach: du gibst die Führung an dein Team ab, das organisiert sich ab sofort selbst und handelt unternehmerisch. Die Gruppe ist durch die Mitgestaltungsmöglichkeit enger an das Unternehmen gebunden und agiert wesentlich motivierter. Die Folge ist, dass die Produktivität um ein Vielfaches steigt. In der Realität ist der Übergang von der traditionellen „Command & Control“ Organisationsform zu selbstorganisierten Teams nach Scrum etwas komplexer. Aus meiner persönlichen Erfahrung kann ich sagen, dass so eine gravierende Änderung jedoch möglich ist.
Ich muss zugeben, dass sowohl für mich, als auch für meine Mitarbeiter, dieser Transformationsprozess durch Hoffnung, aber auch durch Angst geprägt war. Ich werte Angst nicht grundsätzlich als etwas Negatives. Man muss sich vorstellen, dass man schon viel Zeit, Geld und Lebensenergie in den Aufbau des eigenen Unternehmens investiert hat und dadurch gewisse Abläufe und deren Ausgang bereits gut einschätzen konnte. Auch meine Mitarbeiter waren gewohnt in einer bestimmten Art und Weise zu handeln und sich auf bewehrte Prozesse zu verlassen. Wussten sie einmal nicht weiter, fragten sie einfach ihren Vorgesetzten und der entschied dann was zu tun war. Das alles sollte nun verworfen werden.
Der Grundgedanke selbstorganisierter Teams besteht darin, eine realistische Planung von Aufgaben vorzunehmen – und zwar durch das Team selbst ohne Einfluss von Managern. Die Teammitglieder beurteilen bei Scrum den Aufwand nach Fibonnaci-Zahlen und nicht nach Stunden oder anderen Prioritäten. Für die Umsetzung der im Team geplanten Aufgaben steht ein fester Zeitraum (in der Regel 1-2 Arbeitswochen) zur Verfügung, ein sogenannter „Sprint“. Nach Ablauf dieses Sprints findet ein Meeting des Teams statt. Im Zuge dieses Meetings wird ein „Sprint Review“, ein „Sprint Retrospective“und ein „Sprint Planning“ gemacht. Im „Review“ kommen das Scrum-Team und alle Stakeholder zusammen und diskutieren, was während des Sprints bewältigt und ob das Sprintziel erreicht wurde. Ziel einer Sprint Retrospektive hingegen ist es, den Ablauf zu verbessern. Das Scrum-Team reflektiert den vorherigen Sprint und diskutiert, was gut funktioniert, was verbessert und wie die Gesamtproduktivität gesteigert werden könnte. Im Rahmen des „Sprint Plannings“ werden die Aufgaben und das Sprintziel für den neuen Sprint ermittelt und kollektiv im Team definiert, wie das Sprintziel erreicht werden kann.
Bei Scrum gibt es drei klar voneinander abgegrenzte Rollen: Den „Scrum Master“, den „Product Owner“ und das „Projektteam“. Hierbei ist der Product Owner für die Wertsteigerung verantwortlich, nicht nur was das Produkt (die Dienstleistung) angeht, sondern auch in Bezug auf das Projektteam. Es handelt sich also um eine anspruchsvolle Rolle. Im Gegensatz zum Product Owner trifft der Scrum Master keine inhaltlichen Entscheidungen. Der Schwerpunkt seiner Arbeit ist organisatorischer Art: In den Sprints agiert er als Moderator. Er hält dem Team den Rücken frei und vermittelt zwischen Product Owner oder Stakeholder.
Entscheidend sind auch die fünf Schlüssel-Werte dieser Arbeitsmethode. Die grundlegenden Werte Engagement, Fokus, Offenheit, Respekt und Mut sorgen für einen respektvollen und erfolgreichen Austausch in den Teams. Ich werde in Zukunft in einem eigenen Beitrag auf diese Werte und die Bedeutung für Teams genauer eingehen.
Grundsätzlich kommt diese Organisationsform aus der Software-Entwicklung, kann jedoch auch auf andere Bereiche angewendet werden. Wir transformierten so ein klassisches und vertriebslastiges Dienstleistungsunternehmen von einer klassischen hierarchischen zu einer agilen Organisationsform. Die neue, aus dieser Transformation resultierende Ziel-Struktur von TTP ist die folgende:
Wesentlich ist, dass man die Anwendung agiler Organisationsformen stets auf die eigenen Anforderungen anpassen sollte. Geringfügige Adaptionen können das Ergebnis positiv beeinflussen und den Erfolg maximieren. Bei TTP haben wir Scrum an die Bedürfnisse unserer Dienstleistungen und die personellen Ressourcen angepasst. Statt dem separaten "Sprint Review", "Sprint Retrospektive" und "Sprint Planning" führen wir ein 3 in 1 Scrum Meeting durch und haben unsere Teams in einer Form zusammengestellt, wie sie für uns am besten sind.
Zusammengefasst kann ich jedem empfehlen, diese Transformation auszuprobieren. Mein Team und ich waren anfangs skeptisch, ich kann jedoch guten Gewissens mit meiner heutigen Erfahrung sagen, dass sich der Weg, den wir eingeschlagen haben, bereits nach kurzer Zeit bezahlt macht und mit Sicherheit auch weiterhin bezahlt machen wird.
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