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Mein letzter Tag als Angestellter

Gerade in Zeiten des wirtschaftlichen Umbruchs bieten sich gute Möglichkeiten für die Entwicklung und Umsetzung einer eigenen unternehmerischen Geschäftsidee und des Wagnisses des Sprunges in die Selbständigkeit. In den kommenden drei Blogs teile ich meine Gedanken und Gefühle mit euch, wie ich vor nun etwa einer Dekade mein berufliches Leben als Unternehmer selbst in die Hand nahm und was meine Learnings aus dieser ersten Dekade meines unternehmerischen Daseins sind.



Ich kann mich noch sehr gut an diesen einen Arbeitstag in den frühen 2010ern erinnern. Für mich war es ein besonderer und in jeder Hinsicht einmaliger Tag. Es war mein letzter Arbeitstag als Angestellter. Dieser eine Tag stellte die Weichen für meine weitere berufliche Zukunft und sollte letztendlich auch meine weiteren wesentlichen Lebensbereiche signifikant mitgestalten.

Ich im Jahr 2009

Wenn ich nach vielen Jahren zurückdenke, hatte ich an diesem Tag sehr gemischte Gefühle. Auf der einen Seite war ich voller Zuversicht und Begeisterung für Alles das was kommen sollte, auf der anderen Seite jedoch traurig und einer ungewissen Zukunft ins Auge blickend. Diesem Arbeitstag, an dem ich das Vorstandsbüro meines Chefs betrat und ihm mitteilte, dass ich das Unternehmen, das ich für meinen Arbeitgeber aufgebaut und jahrelang geleitet habe, verlassen werde, ging jedoch eine langwierige - Jahre andauernde - innere Diskussion, geprägt von Freunde an meiner Arbeit, Liebe zu meinem Team, Frustration über die Zusammenarbeit mit übergeordneten Hierarchien im Unternehmen, einer unsicheren finanziellen Zukunft, Motivation eigenständig und -verantwortlich seinen Werdegang gestalten zu können, als auch eine Menge anderer Gefühle und Überlegungen zuvor.



Die Kündigung


Gemeinsam mit meiner damaligen Assistentin Dagmar, meiner Service Managerin Eva und meinem Key Account Manager Jan bei einer Kick Off Veranstaltung in Heidelberg, Deutschland.

Während meiner Karriere habe ich bereits einige Personen aus Unternehmen ausscheiden gesehen – von tränenreichen Beendigungen der Arbeitsverhältnisse bis zu teils aggressiven Verhaltensweisen war so ziemlich jede emotionale Lage dabei. Du denkst also, du bist gut für diesen Tag vorbereitet. Sobald es dich jedoch persönlich betrifft und du selbst eine so wesentliche und schwerwiegende Entscheidung für dich treffen und danach, in Form deiner Dienstnehmerkündigung, ausführen musst, ist es auf einmal alles ganz anders - eine ganz andere Emotion, eine Situation, auf die du trotz unzähliger Erfahrungen nicht vorbereitet bist. Es ist ein ungewohntes und mulmiges Gefühl. Es war für mich letztendlich auch nicht einfach ein Unternehmen, dessen Grundstein ich – wenn auch in einem Dienstverhältnis für meinen Arbeitgeber - gelegt, dessen Aufbau ich geplant und zusammen mit meinem Team ausgeführt hatte, sowie die Mitarbeiter, die ich persönlich ausgesucht und eingestellt hatte und deren Mentor ich über Jahre gewesen war, zu verlassen.



Ähnlich war die Situation als ich zum letzten Mal die Tür zu meinem Büro, in dem ich oft 17+ Stunden täglich verbrachte und das ich nicht nur einmal für Frühstücks-, Lunch- und Dinner-Meetings verwendet hatte, für immer schloss. Das Büro ist für jemanden wie mich ein persönlicher Bereich, wo du mehr Stunden als zuhause verbringst, ein Ort an dem du viele Erfolge, aber auch Niederlagen eingefahren hast, ein persönlicher Rückzugsort. Insofern ist es wenig verwunderlich, dass es ein äußerst emotionaler Moment, ist wenn du das letzte Mal den Schlüssel zu diesem Bereich umdrehst und für immer das Bürogebäude verlässt.



Und dann wäre da auch noch die heilige Kuh eines jeden Vertriebsmitarbeiters: sein Dienstwagen. In meinem Fall war das ein Sport-Coupé, das ich als Bonus für meine Outperformance fahren durfte (wohlgemerkt ein Auto, welches für diese Zwecke und die damit von mir wöchentlich zurückgelegten ca. 1.500 km keinesfalls geeignet war – aber das kümmerte mich damals nicht). Das Auto verkörperte zu dem Zeitpunkt für mich meinen beruflichen Erfolg. Um ehrlich zu sein, waren es oftmals genau diese Statussymbole, diese materiellen Güter und nicht zuletzt das soziale Ansehen eines Prokuristen - eines Country Managers - mit Verantwortung für nahezu den gesamten CEE Raum, welche mich bei meinen monatelangen Gedanken, die Firma zu verlassen, stets davon abgebracht hatten, diesen Schritt auch umzusetzen. Es erfordert eine gewisse mentale reife, sich von diesen gesellschaftlich vorgegebenen materiellen Verkörperungen des Erfolgs loslösen zu können, diese abzugeben und ins kalte Wasser zu springen.



Um vorwegzugreifen: die von mir beschriebene „mentale Reife“ bedeutet nicht, dass du keine materiellen Güter mehr anschaffen darfst, oder dem Motorsport nicht zugeneigt sein darfst. Es bedeutet lediglich, dass du von diesen Gütern nicht abhängig sein darfst. Sie dürfen dir nicht im Weg stehen, um deinen freien Willen auszuüben oder dich in deiner Entscheidungsfindung in welcher Art auch immer beeinflussen. Aber dazu mehr in den folgenden Blog-Beiträgen.

Mein Team bei einem Betriebsausflug in Tschechien

Aber zurück zum Thema der Beendigung meines Dienstverhältnisses als Angestellter: Einen derartigen Schritt zu wagen ist für niemanden einfach. Wenn Du in einer ähnlichen Situation bist, wirst Du bei Gesprächen über dein Vorhaben mit deiner Familie, deinen Freunden und Bekannten oft Sätze wie: „Jetzt ist kein guter Zeitpunkt für einen Wechsel“ oder „Du kannst doch nicht deinen sicheren Arbeitsplatz für so ‘ne Start-Up-Bude aufgeben!“ hören. Ich persönlich bin in dieser Hinsicht für alle Zeiten meiner Frau sehr dankbar. Sie war die Einzige, die sich damals meinen Plan und meine Absicht, mich selbständig zu machen, angehört hat und mich mit dem Satz: „Das ist eine gute Idee – mach das!“ ermutigte. Wir hatten damals gerade geheiratet und zwei Jahre später kam unser erster Sohn zur Welt. Man kann sich vorstellen, dass das auch wirtschaftlich keine einfache Entscheidung für den „Ernährer der Familie“ – für den „Mann“ ist, von einem Tag auf den anderen ohne jegliches Einkommen dazustehen und auf das Einkommen und das Auto seiner Partnerin angewiesen zu sein.


Zurückblickend kann ich jedem nur anraten: wenn du eine gute Geschäftsidee hast, setze sie auch um. Wage den Sprung in die Selbständigkeit! Habe keinen „Plan B“ – dieser wird dich nur von deinem Ziel ablenken und dich in schwierigen Zeiten dazu verleiten, den bequemeren Weg zurück ins Angestelltenverhältnis zu nehmen. Du wirst an deinem letzten Arbeitstag als Angestellter wahrscheinlich ähnliche Gefühle erleben, wie ich sie seinerzeit erlebte und es wird dich ein schwerer, steiniger Weg erwarten, auf dessen Pfaden du dich bewegen wirst, aber – glaube mir – er ist es wert begangen zu werden!

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